Max Pothmann | Autor | Bühnenbild & Requisitenbau | Köln-Bonn
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23.02.2012

Sein Ende bedeutet März

Der Februar ist mal wieder vorbeigeschlüpft. Es ging so schnell: Man hat's kaum bemerkt. Dabei liegt der Februar des vergangenen Jahres noch so nah, dass er noch immer unter meiner Haut sitzt wie Schminkreste von Karneval. Genau: Die kalte Luft der letzten Wintertage im letzten Jahr, als ich mich ausnahmsweise rasiert hatte und dachte: Scheißkalt an den Backen!

Der Februar ist auf dem absteigenden Ast. Man trauert ihm kaum nach, diesem Monat. Sein Ende bedeutet März. Und März bedeutet, dass es plötzlich 15 Grad werden könnten, dass die ersten Knospen sich schon sehr bald öffnen, dass man mit ein bisschen Glück einmal wöchentlich draußen Kaffee trinken kann auf einem Quadratmeter Stadtboden mit Sonnenlicht.

Überhaupt fliegen uns die Jahre immer schneller um die Ohren, oder nicht? Das Leben hat sich eingegroovt. Wir sind zwar noch nicht alt, aber längst nicht mehr jung. Längst schlagen wir uns mit Steuererklärungen herum, suchen aus Gewohnheit größere, schönere Wohnungen, haben uns genauso an Carsharing gewöhnt wie daran, dass unsere Freunde Eltern geworden sind. Wir haben uns damit abgefunden, dass wir die Versprechen für ein gesünderes Leben, die wir uns quartalsweise abringen, nur bedingt halten. Ganz langsam machen wir uns Sorgen um unsere Eltern. Wir spenden jetzt manchmal Geld für gute Zwecke und gehen schon lange nicht mehr nur zum Discounter.

Kollektiv haben wir gelernt, pieksige Themen zu umschiffen. Stattdessen suchen wir Gemeinsamkeiten, Dinge die wir teilen können und immer auch die Schnittstelle, auf der ein Lachen liegen könnte, dass wir zusammen laut in die geheizte Küchenluft blasen können, denn längst haben wir uns arrangiert mit dem Wissen, dass es da draußen nicht viel gibt außer das Teilen, die gemeinsamen Mahlzeiten, das Nicht-Allein-Sein, vielleicht ein bisschen Familie und die immer schneller den Hang herunterkullernden Jahre.

In umgekehrter Reihenfolge werden uns unsere Gesichter wieder fremd. Mit 13, 14 war da jeden Tag etwas Neues - meist Unschönes, an das wir uns zu gewöhnen hatten. Der Prozess endete irgendwann Anfang zwanzig und nur ein paar Jahre, nachdem wir uns arrangiert und gewöhnt hatten, kehrte sich der Spieß erneut um: Jetzt wächst unsere Erscheinung nicht mehr jugendlich unbeholfen in die Welt hinaus: Jetzt werden unsere Körper tatsächlich zu den Landschaften, die Michael Ondaantje im englischen Patienten beschreibt. Landschaften, auf denen sich die Spuren von Leben und Lebenswandel niederschlagen. Wir zählen Falten und Narben, innere und äußere und haben uns daran gewöhnt, dass dieses Spiel sich nicht ändern wird, dass nicht eines Tages ein Punkt eintritt, an dem alles gut sein wird, wie wir früher noch annahmen.

Vielleicht trauert man deswegen umso mehr der Jugend nach, je älter man wird: Weil man immer mehr zu schätzen lernt, wie gut das Leben gewesen ist in einer Zeit, in der man noch dem zwar natürlichen, aber auch irrigen Glauben anhing, es gäbe so etwas wie ein "Erwachsen".

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